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Ich, Julia und Gastmutter Carola |
Nun schaffe ich es endlich einmal wieder ein wenig von meinen Erlebnissen hier in Bolivien zu berichten.
Nach meinem letzten Bericht ist schon wieder viel passiert und es fing mit dem Abschied aus La Paz und der Busfahrt nach Santa Cruz an.
Die anderen Freiwilligen habe ich am Dienstag vor einer Woche gesehen, einige blieben in La Paz, andere fuhren nach Sucre. Nur Christopher, Sven, Simon, Lissy, Sophia, Julia und ich setzten uns in den Bus nach Santa Cruz. Der Abschied von den anderen Freiwilligen ging relativ schnell, da wir flott unsere Sachen auf den Minibus hieven und zum Bus Terminal fuhren mussten. Doch wir mussten uns auch von Beatrice und ihrer kleinen Tochter Maria verabschieden, die in dem Schwesternhaus in La Paz für uns gesorgt hatte. Sie hat uns sogleich angeboten sie nochmal zu besuchen, wenn wir in La Paz sind, was wir in diesem Jahr vielleicht noch einmal schaffen werden. Für die herzliche Umsorgung bedankten Julia und ich uns mit einer lieben Umarmung und ein paar Süßigkeiten aus den gesammelten Gastgeschenken.
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Ein Mandarinenbaum im Garten! |
Dann wurde es anstrengend, denn es hier 17 Stunden Bus fahren, obwohl es eigentlich schlimmer klingt, als es letztendlich wirklich war, denn Araceli hatte für uns einen Bus Cama gemietet, was ein richtiges Luxusding war. Ein großer Reisebus, mit nur drei breiten Sitzen in jeder Reihe, die man annähernd horizontal einstellen konnte, sodass man es wirklich bequem hatte. Nachdem ich in La Paz Minibus gefahren bin und auch die anderen Verkehrsmittel gesehen hatte, war ich wirklich erstaunt, denn solche Sessel habe ich noch nicht mal in Deutschland gesehen. Die Filmauswahl des Fahrers fiel aber dafür wirklich miserabel aus und anstatt den dritten Teil eines schlechten Boxfilms zu sehen, habe ich versucht etwas zu schlafen.
Als ich wieder wach wurde, waren wir eindeutig schon in Santa Cruz, denn aus den Fenstern konnte ich Palmen in rauen Mengen sehen. Von dem Anblick so gefesselt konnte ich nicht mehr schlafen und genoss stattdessen den Sonnenaufgang über der Ebene, denn hier war wieder alles flach. Wir fuhren noch einige Stunden an sehr kleinen, ärmlichen Hütten vorbei, die ich als sehr gemütlich bezeichnen würde, bis wir dann irgendwann in der Stadt Santa Cruz ankamen.
Es ist riesig groß und dennoch hat man kaum das Gefühl einer Stadt, denn es gibt keine Hochhäuser. Auch Häuser mit mehr als drei Etagen sind selten, weshalb alles überschaubar wirkt, doch sich zurechtzufinden ist eine ganz andere Sache. Am Busterminal wurden wir herzlichst von unseren Gastfamilien empfangen, verabschiedeten uns vorläufig von den anderen Frewilligen und Julia und ich fuhren mit unserer Gastmutter Carola im Taxi zu ihrem Haus. Zwischendurch mussten wir jedoch anhalten, denn obwohl wir schon alle Pullover von uns geworfen hatten, war es unglaublich heiß und wir brauchten dringend etwas zu trinken. Noch nie habe ich mich so über kaltes Wasser gefreut!
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Die Schule, an der Carola arbeitet |
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Das Haus in dem wir leben in wirklich sehr groß und außer Carola wohnen hier noch ihre Eltern, ihre Tante und nebenan im Haus ihre Schwester mit Mann und zwei Kindern (ein und vier Jahre alt und herzallerliebst). Der Garten drumherum toppt allerdings alles, denn er ist riesig und überall stehen Palmen, Orangenbäume und weitere Früchte, die ich nur aus dem Supermarkt kannte, oder völlig unbekannte. Draußen laufen auch noch ungefähr sieben Hunde, eine Katze, einie Gänse und Hühner und zwei Papageien rum, die manchmal sogar „Hola!“ sagen. Die Einrichtung ist aber eher spartanisch, was aber wahrscheinlich dem bolivianischen Stil entspricht. Nicht ganz meinen Geschmack treffen auch die ganzen kitschigen Jesusbildchen, aber jedem das Seine.
Gleich am ersten Abend in neuer Umgebung gingen wir auf die Hauptplaza in Santa Cruz zur Messe, die draußen vor der Kathedrale stattfand. Es war deutlich schöner als in La Paz! Danach fielen Julia und ich erschöpft in unsere Betten, aber es fiel schwer bei der auch während der Nacht andauernden Hitze zu schlafen. Das Frühstück trifft hier leider nicht ganz meinen Geschmack, denn bisher besteht es aus süßlichem Brot mit Butter...
Der Sprachkurs mit Lissy, Simon und Sven zusammen bei Profesor Jose ist dafür aber wirklich gut und ich denke, dass wir ganz gut vorankommen, vor allem lernen wir nicht nur die Sprache, sondern auch wirklich viel über die bolivianische Kultur und das ist wirklich richtig interessant.
Nach unserem Unterricht fuhren wir mit Carola in die Schule, an der sie arbeitet und setzten uns zu ihr in den Unterricht, der im Gegensatz zu Deutschland wirklich vollkommen anders ist. Die Kinder sind aber mindestens genauso niedlich, vor allem weil wir die Attraktion des Tages waren, denn blasse Haut und rote Haare fallen zwischen den dunkelhäutigen, schwarzhaarigen Leuten um uns herum doch auf.
Abends lernten wir Tradition hautnah kennen, denn es fand eine Andacht für den seit einem Jahr verstorbenen Onkel Carolas statt. Hieß: kitschiger Altar, 30 Stühle und Leute, Gebete und Gesang zwischen zwei dicht beieinanderstehenden Häusern. Danach gab es auch noch ein Festmahl, was wir allerdings ausließen.
Mit unseren Gastgroßeltern waren wir schon auf einem gigantischen Markt, wo meilenweit nur Obst und Gemüse war. So weit das Auge reichte, waren da plötzlich Zwiebeln und auf der anderen Seite des Ganges dann Kartoffeln. Es war zwar eng und voll, aber vor allem berauschend.
Abends dann auf einem Markt etwas anderer Art mit Carola, fühlten Julia und ich uns nicht ganz so wohl, denn plötzlich waren wir von turmhohen Ständen mit Klamotten, Plastikzeug und Technik, sowie einem unangenehm künstlichen Geruch umgeben. Es war sehr anstrengend und wir waren froh als wir diese Made-in-China-Welt hinter uns lassen konnten.
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Saeckeweise Reis und andere Sachen |
Am Sonntag morgen habe ich hier in Bolivien die bisher schönste Messe erlebt. Wir waren in der Kapelle in unserer Straße, beinahe schlicht, wo eine Trommel und ein Schellenkranz zwei Sängerinnen begleitet haben. Der Pfarrer war total freundlich und hat uns -peinlicherweise- nach der Predigt nochmal der ganzen Gemeinde vorgestellt. Als würden wir nicht schon genug auffallen, vor allem ich, weil ich 90 Prozent der Leute hier um einen Kopf überrage.
Anfang der Woche habe ich dann endlich wieder etwas richtig Gutes zu Essen bekommen. Am Montag waren wir bei Christophers Gastfamilie eingeladen und es gab Reis, Kartoffelbrei und Brokkolisuflée zum Hühnchen. Endlich konnte ich mich mal wieder sattessen. Dienstag waren wir in einem wirklich guten Café über Mittag und Mittwoch durften wir Freiwilligen alle zusammen bei Christophers Familie kochen und wir haben es tatsächlich geschafft einen leckeren Kartoffelauflauf mit Salat und Fleisch zu machen, der auch seiner Gastfamilie geschmeckt hat.
Die Reaktionen auf uns sind sehr interessant. Taxifahrer fahren langsamer, weil sie uns mitnehmen wollen, Händler ziehen uns gnadenlos über den Tisch und an einem Tag wurden Julia und ich von einem älteren netten Herr „Prinzessinen“ und von einem Betrunken als „rothaarigen Königinnen“ bezeichnet.
Am Montagabend haben Julia und ich dann an der großen Abschlussanbetung der Jungfrau teilgenommen, die seit einer Woche jeden Abend auf unserer Terasse angebetet wurde, doch da es statt wie geplant um 8 erst um 10 losging, ließen wir das Festmahl danach aus und fielen totmüde von der Hitze ins Bett, denn hier ist es wirklich heiß und das macht uns immer ganz schön müde.
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Hektischer Marktalltag |
Dienstagabend fuhren wir mit zur Überraschungsparty für Carolas Tante, die Geburtstag hatte. Da stieg aus dem Taxi vor uns gleich eine kleine Kapelle aus und wir fielen mit viel Lärm bei ihr ein, wo ich dann auch meine erste Tanzerfahrung in Bolivien machte. Ich glaube, dass ich mich nicht ganz so schlecht angestellt habe. Zumindest haben sie immer gelacht, oder das bedeutete, dass ich völlig idiotisch ausgesehen habe...wer weiß das schon.
Heute Abend gehen wir Freiwilligen im Sprachenzentrum, wo unser Kurs stattfindet „Sonnenallee“ gucken und anschließend noch den Irish Pub nebenan testen. Heute ist ein wirklich angenehmer Tag, denn es hat das erste Mal, seit ich hier bin geregnet und die Temperaturen sind wirklich angenehm, sodass man nicht die ganze Zeit schwitzt und müde ist.
Ich melde mich bald wieder
Liebe Grüße aus dem heißen Santa Cruz de la Sierra
Lisi
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Sierra heisst Wueste |