Donnerstag, 22. Dezember 2011

Adventsabenteuer

Die Kathedrale
 Ich habe letzte Woche meine erste Reise alleine gemacht. Es fing aber natürlich gleich mit einigen kleineren Schwierigkeiten an.

Mein Plan war Mittwochabend in die Flota (Bus) zu steigen und nach Sucre zu fahren, wo Lena wohnt und arbeitet, die am Donnerstag Geburtstag hatte. Also packte ich meinen Rucksack und machte mich auf den Weg zum Busterminal in Santa Cruz. Dan endete mein Ausflug dann aber auch erstmal, denn die letzten Busse waren um fünf Uhr nachmittags abgefahren, was ich nicht wusste. Also wieder nach El Torno und das Gleiche nochmal am darauffolgenden Tag.

Sucres Dächermeer

Ich war also nicht an Lenas Geburtstag dabei, saß dafür aber schon um drei Uhr mit meinem Busticket für einen normalen Reisebus nach Sucre in meiner Hand im Terminal und wartete, dass es halb fünf wurde. Während meiner Wartezeit gesellte sich nach und nach eine Gruppe Jugendlicher in meine Nähe, die wie sich herausstellte ebenfalls nach Sucre fuhr. Sie sprachen die ganze Zeit davon, dass sie mit dem Bus um halb fünf fahren wollten, also ging ich davon aus, dass wir per Zufall sogar im gleichen Bus sitzen würden. Als sie nochmal nachfragten, ob der Bus denn auch püntklich abfahren würde, kamen sie wieder und sagten, dass er erst um fünf fahren würde. Vorsichtshalber fragte ich bei ihnen nochmal nach, nicht dass ich es wieder nicht nach Sucre schaffen würde, aber sie versicherten mir, dass der Bus erst um fünf abfahren würde.
Schließlich setzte sich die Gruppe in Bewegung und ich hängte mich hinten dran, als ich aber gerade in den Bus steigen wollte, viel mir das Schild an der Tür auf: Ziel: Sucre, Bus: Semicama, Zeit: 17:00. Auf meinem Ticket stand aber: Ziel: Sucre, Bus: Normal, Zeit: 16:30. Komisch. Leicht verwundert fragte ich den freundlichen Herrn neben dem Bus, der mir dann mitteilte, dass das nicht mein Bus sei und mein Bus schon vor einer halben Stunde püntklich abgefahren sei. Tja, da dachte ich schon, dass ich es niemals nach Sucre schaffen würde...

Aber ich hatte die bolivianische Hilfsbereitschaft unterschätzt, denn eine Mutter der Reisegruppe, die ihren Sohn verabschiedet hatte, nahm mich sofort mit zu den Zuständigen und redete solange auf sie ein, bis der Busfahrer sich dazu bereiterklärte, dass ich in der Fahrerkabine mitfahren dürfe. Bis Samaipata (ca. vier Stunden Fahrt) konnte ich aber auch noch einen Sitzplatz bekommen, denn erst dort würde ein weiterer Fahrgast zusteigen. Die Jungs von der Reisegruppe hatten aber gleich eine viel bessere Idee, denn sie hatten ohnehin zwei Plätze zuviel gebucht, wodurch ich auch die ganze Fahrt einen bequemen Sitzplatz hatte.
Also hatte ich plötzlich einen Sitz, den man beinahe zu einem Bett verstellen konnte, 18 Jugendliche, die für einen Wettkampf in einer asiatischen Kampfkunst nach Sucre fuhren, und mich natürlich hoch spannend fanden und einen Busfahrerassistenten, der mich loswerden wollte. Während der Fahrt kam er mindestens fünf Mal zu mir und wollte erst noch mehr Geld von mir haben und schließlich sogar, dass ich in einen anderen Bus umsteige. Aber meine neuen Freunde sagten zu mir lediglich, dass ich mir keine Sorgen machen sollte, die Plätze seien ja bezahlt und der Assistent hatte letztendlich gegen 18 kräftig gebaute Jugendliche auch keine Chance mehr und ich kam früh morgens in Sucre an.

Nach einem ausgiebigen Frühstück

Mein erster Gedanke: das soll die schönste Stadt Boliviens sein? Und mein zweiter: Verflixt ist es kalt! Aber als Julia mich dann freudestrahlend abholte, wurde es nur noch besser. Zuerst besuchten wir die Fundación Treveris (Trier), wo wir auf Franziska und Lucia trafen und weil dort gerade eine Ausstellung der Hermandad war gab es das allerleckerste Maracujaeis, Apfelkuchen und Kekse, wovon ich natürlich so viel gegessen habe, dass mir danach schön schlecht war. Aber das war es wert!

Etwas andere Landschaft

Die ersten Tage habe ich bei Lena geschlafen, die eine eigene Wohnung in Sucre hat und als sie dann zu Reisen aufbrach, bin ich zu Julia umgezogen, die in einer Art Wohnheim wohnt, wenn sie in Sucre ist. Und weil die Freiwilligen sich in Sucre inzwischen richtig gut auskennen, bekam ich natürlich nur die schönsten Seiten zu sehen, sodass ich bestätigen kann, dass Sucre wirklich eine sehr schöne Stadt ist. Wir waren auf der Ricoleta, von wo aus man beinahe die ganze Stadt sehen kann (und wo mir das Treppensteigen schon wieder ordentlich schwer viel, denn Sucre liegt knapp 2000 m höher als El Torno mit seinen 500 m über Normal Null), wir besuchten den Artesania-Markt in Tarabuco, wir waren auf dem Klosterdach mit einem schönen Blick über die Dächer Sucres, mitten aus der Stadt heraus , wir haben Obstsalat gegessen, uns Zöpfe flechten und Ohrlöcher stechen lassen, Schokofondue gegessen und haben viel deutsch geredet.

Artesania-Markt in Tarabuco

Da ich seit ich in El Torno bin eigentlich keinen anderen deutschen Freiwilligen mehr gesehen hatte, war es für mich besonders schön einige von ihnen wiederzusehen oder auch neue kennenzulernen und mich endlich ausgiebig mit ihnen austauschen zu können. Aber Sucre ist insgesamt sehr international, man fühlt sich als Weiße als gar nichts Besonderes mehr, denn dort laufen wirklich viele herum. So fragte ein Mann auf der Plaza Julia und mich irgendwann, ob wir ein Foto von ihm und seiner Familie machen könnten. Dann stellte sich heraus, dass er Deutscher ist und seit vielen Jahren in Bolivien lebt. In Samaipata wohnt er und hat dort ein Reisebüro eröffnet und nachdem er uns von all den schönen Orten Boliviens vorgeschwärmt hatte, bot er uns an ihn doch einfach einmal dort zu besuchen, damit er uns eine Reiseroute zu einem wunderschönen, nicht-touristischen Ort erstellen könnte. Da konnten wir natürlich nicht Nein sagen und versprachen ihn innerhalb unseres Jahres zu besuchen. Das ist schließlich genau das, was ich will: kein Touri sein und das Land und die Leute kennenlernen.

Auf dem Klosterdach mit Franzi und Julia

Ihr habt ja schon gemerkt, dass meine Pläne meistens nicht so klappen, wie sie eigentlich sollten und deshalb verschob ich meine geplante Abreise am Montagabend schlichtweg auf Freitag. Grund waren meine Weisheitszähne, die anfingen sehr unangenehm wehzutun und dann schließlich gezogen wurden (siehe anderer Eintrag). Das will ich hier auch nicht weiter ausführen, die Einzelheiten sind nicht so schön. Aber inzwischen sieht mein Gesicht wieder normal aus und ich gehe später noch zum Fädenziehen.
Die Rückfahrt verlief übrigens glatter als die Hinfahrt. Ich wurde von Simon, Julia und Franziska begleitet, die alle nach Santa Cruz fuhren und nachdem der Bus nur eine Stunde Verspätung hatte, ging alles gut. Ich bin also wieder heile in El Torno angekommen und verstehe immernoch nicht, wie in vier Tagen schon Weihnachten sein kann.

Einer der vier Namen der Stadt

Liebe vorweihnachtliche Grüße aus dem hochsommerlichen El Torno
Lisi