Mittwoch, 26. Oktober 2011

Flip Flops

Allgegenwärtige Palmen
 
Ein vielfältiges Wochendende mit der Firmgruppe meiner Gastschwester liegt nun hinter mir. In der ersten Woche hier in El Torno – als ich kaum was verstanden habe – habe ich erstmal zu allem „Ja“ gesagt und deshalb mache ich momentan alle Aktivitäten mit Litzi und der Firmgruppe „Papst Martin V“ mit. Aber ich hätte auch ja gesagt, wenn ich es schon verstanden hätte, denn es macht wirklich Spaß.

Kleidung verteilen


Normalerweise gibt es zwei Treffen die Woche. Am Donnerstag treffen wir uns mit Edil, Daniel und Lucy in der Kirche (dem Templo, wie sie hier sagen). Die drei sind für die gute Musik im Gottesdienst zuständig. Sie können alle drei wunderbar singen und Daniel spielt dazu noch Gitarre. Damit nicht nur die drei die Melodien können – in den Liederbüchern gibt es nämlich keine Noten, wie bei uns – üben wir am Donnerstag mit unserer Firmgruppe zusammen die Lieder für den sonntäglichen Gottesdienst. Aus der Gruppe kann kaum einer einen richtigen Ton treffen, aber letztendlich stört das nicht weiter, denn die drei Musiker singen mit Mikrofon und so hat man immer die schöne Melodie im Ohr.

Am Sonntag ist dann für alle Firmgruppen Unterricht angesagt. Hier sind es dieses Jahr sechs Gruppen, mit rund 25 Firmlingen, also eine ganze Menge. Eigentlich sollte der Unterricht um sechs Uhr abends in dem kaum genutzen Theatersaal neben der Bibliothek mit einer Oración (einem Gebet) beginnen. Da die bolivianische Einstellung zur Zeit aber eine etwas andere ist, als in Deutschland – wenn man will, dass jemand püntklich kommt, sagt man auch „Hora alemana“ (deutsche Stunde) – ist um sechs eigentlich kaum wer da. Auch die Katechisten kommen gerne eine halbe Stunde zu spät. Irgendwann stellen sich die Gruppen dann aber in Reihen auf – Jungen und Mädchen getrennt – und eine Gruppe spricht ein kurzes Gebet oder es beten alle das Vater Unser oder das Ave Maria.

ein halbfertiger Ofen


Anschließend verteilen sich die Gruppen in ihre Räume und wir wandern nach nebenan in die Bibliothek. Dann werden entweder diverse Themen aus dem Firmbuch durchgenommen, oder Litzi hält einen Vortrag über das Leben. Für mich ist der Glauben hier noch sehr neu. Die Bibel ist hier zum Beispiel sehr wichtig und Litzi scheint sie wirklich auswendig zu kennen. Außerdem ist auch jedes Auto mit einem Aufkleber verziert, der verkündet, dass Gott Liebe ist, oder Jesus mich liebt. Und der Rosenkranz ist hier Gebets- und Halskette und alle können ihn beten und tun das auch, denn die Verehrung der Gottesmutter ist hier ausgesprochen wichtig.
Zusätzlich wechseln sich die Firmgruppen auch mit dem wöchtenlichen Putzen des Templos und der Vorbereitung des Gottesdienstes ab und so muss auch alle sechs Wochen der Gottesdienst geplant werden.

Am Samstag stand jedoch eine zusätzliche Aktion an, denn die Gruppen sollten soziale Besuche machen, also ein wenig von der Armut, die hier immer wieder zu sehen ist, erleben. Unsere Gruppe sammelte also Kleidung zusammen und brachte halbare Lebensmittel, sowie Früchte und Süßigkeiten mit, als es am Samstag nach Limoncito – einem kleinen Nachbardorf – mit dem Auto ging und von da aus zu Fuß aufs Land. Sobald man sich hier von der Hauptstraße entfernt, gibt es fast nur noch Staubstraßen. Im Campo (Umland) ist sowieso nichts gepflastert und durch die noch anhaltende Trockenheit sind die Straßen entsprechend staubig. Die Pflanzen nahe der Straße waren auch nicht mehr grün, sondern hellbraun, denn wenn ein Auto oder ein Motorrad vorbeifuhr, folgte eine riesige Staubwolke, durch die man dann mit geschlossenen Augen und angehaltenem Atem hindurchmusste. Meine Füße hatten am Ende des Tages auch fast die boliviansche Hautfarbe angenommen.

Dort arbeiten auch Frauen sehr hart


Nachdem wir ein gutes Stück gewandert waren – in Flip Flops – und die Gruppe sich sehr vertreut hatte, trafen wir auf die ersten Menschen, die arbeiteten. Sie bauen dort mitten im Grünen gigantische Öfen, deren Zweck ich noch nicht verstanden habe. Es ist aber auch jedenfall eine sehr schwere und schmutzige Arbeit, der erste Mann, dem wir begegneten war über und über mit Lehm verschmiert. Er dachte zuerst, dass wir von einer Firma sein und die Sachen verkaufen wollten, doch als er verstanden hatte, dass wir die Dinge verschenkten, freute er sich und fand auch einige Dinge, die seinen Kindern passen könnten.

Nach und nach wurden die Tüten also leichter und die Menschen, die etwas geschenkt bekamen freuten sich. In der Gegend ist es besonders schwer, da es dort keine Flüsse gibt. Während es auf der anderen Seite des großen Flusses Pirai von Flussbetten nur so wimmelt, ist es auf westlicher Seite im wahrsten Sinne staubtrocken und die Leute haben große Regenauffangbecken, denn auch Wasserleitungen gibt es dort nicht und wenn es nicht regnet, müssen die Menschen das Wasser kaufen und weite Wege zu ihrem Haus tragen.

Ausblick auf die Hügel


Als wir als Schlusslicht die anderen irgendwann wieder eingeholt hatten, machte ich mich mit einigen auf eine kleine Klettertour durch einen Mandarinenhain auf einen Berg. Während Santa Cruz flach wie ein Brett ist, ist El Torno und Umgebung sehr hügelig. Wir kletterten also erst durch den Stacheldrahtzaun und dann – immernoch mit Flip Flops – einen extrem steilen Hang hinauf, dessen Untergrund auch nicht immer so stabil war, wie er aussah. Die Jungs waren natürlich als erste oben und winkten uns zu. Als wir Mädchen es dann auch geschafft hatten, belohnte uns ein gigantischer Ausblick auf die Hügel ringsherum. Die Sonne war gerade am Untergehen und tauchte die Landschaft in gelbliches Licht und die Hügel in der Ferne verschwammen in einem blassen Blauton. Die Fotos können das leider kaum wiedergeben, aber es war wirklich schön.

Der Rückweg nach Limoncito war dann etwas unangenehmer. Da es schon sechs Uhr war, ging die Sonne zügig unter und um halb sieben war es dunkel – lange Sommertage gibt es hier nicht – sodass wir den Rückweg komplett im Dunkeln zurück legen mussten. Litzi hat es jedoch nicht davon abgehalten erst nochmal in aller Ruhe einen kleinen Moralvortrag zu halten und ein Gebet zu sprechen, während alle darauf drängten möglichst schnell zurück ins Dorf zu gehen. Letztendlich joggten wir dann den halben Weg – immernoch in Flip Flops – über die stockfinstere, holperige Straße zu den ersten Laternen von Limoncito.

Gute Laune


Die Jugendlichen waren dann aber so motiviert, dass sich auch gleich noch den Weg nach El Torno zu Fuß gehen wollten. Wir sind aber nur bis zu der Kirche in Limoncito gekommen, die sich auf einem Hügel befindet, den eine endlose Treppe hinaufführt. Die Firmis wollten unbedingt in die Kirche und so erklommen wir auch noch diese Hürde. Anschließend sind wir aber nicht mehr zu Fuß gegangen, sondern haben ein Taxi genommen, denn die Micros sind abends eher selten und dementsprechend immer brechend voll. Endlich ab ins Bett!

Die Jungs kloppten sich um die Süßigkeiten

Am Sonntag folgte dann die nächste Aktion. Während ich am letzten Samstag mit Litzi bei ihrer Schule war – sie arbeitet vormittags in einem Colegio (einer Schule) ein paar Dörfer weiter und nur nachmittags mit mir in der Bibliothek – wo die finalen Wettkämpfe verschiedener Schulen in Futsal (einer Fußballvariante, die man mit Hallenfußball mit sechs Spielern vergleichen kann), Basquet (Basketball) und Volei (Volleyball) stattfanden, gab es diesen Sonntag auch hier Sport. Sehr kurzfristig wurde ein Wettkampf der Firmgruppen auf die Beine gestellt und diesen Sonntag sollten die ersten Spiele in Futsal stattfinden. Das erste Spiel sollte um zwei Uhr losgehen und um halb drei waren tatsächlich die ersten Leute da. Insgesamt war die Beteiligung aber eher schwach, zwei Gruppen fehlten ganz und die Katechisten haben auch keine Mannschaft zusammen bekommen, obwohl sie doch eigentlich ein Vorbild sein sollten

Fast komplette Firmgruppe und Litzi


Trotzdem wurde dann irgendwann gespielt, zwar nicht wie geplant, aber immerhin. Jungen und Mädchen natürlich in getrennten Mannschaften und während die Jungs von Martin V gewannen, schafften die Mädchen es leider nur zu einem Untentschieden. Da ich die Regeln nicht kannte und auch nicht unbedingt eine Leuchte im Fußballspielen bin, habe ich mich dezent zurückgehalten und nicht mitgespielt. Letztendlich hätte es wahrscheinlich aber auch keinen Unterschied gemacht, denn Regeln gibt es kaum welche und die meisten konnten auch nicht so wirklich gut spielen.




Spontan wurden dann noch eine Kühlkiste mit Erdbeer-Refresco herangeschafft und der Becher für umgerechnet 10 Cent verkauft, womit bei der anhaltenden Hitze ein gutes Geschäft gemacht wurde. Das ganze fand übrigens auch nicht in einer Halle, sondern draußen statt und war auch nicht überdacht, weshalb ich mir mit viel Mühe ein schattiges Plätzchen unter einem kärglichen Busch gesucht habe. Und dann kamen noch zwei Mädchen aus unserer Gruppe mit dem typischen Zwischendurchsnack: frittierte Fleischbällchen mit Yuka und Ketchup und Mayonaise. Ich habe mich auf Yuka mit Mayo beschränkt, was richtig lecker ist!





Die Plastikbecher lagen am Ende dafür aber auf dem ganzen Platz verteilt herum und mit Litzi zusammen sammelte ich ein paar davon ein, weil sie meinte, dass man den Müll nicht einfach überall rumliegen lassen könnte. Während ich schon Ausschau nach einem Mülleimer oder einer Tüte in der Nähe hielt, nahm sie mir die gesammelten Becher ab und warf sie ins Gebüsch. Soviel dazu, dass der Müll nicht rumliegen soll. Nunja, so ist zumindest der Platz halbwegs sauber hinterlassen worden.

Liebe Grüße aus dem „hier-trägt-man-zu-jedem-Anlass-Flip-Flops“-Bolivien
Lisi