Gastmutter Lourdes melkt die Kuh |
Der Karneval ging aber natürlich nicht nur in Oruro auf die Straße, sondern in ganz Bolivien. An der Straßenschlacht in El Torno nahm ich aber am Montag erstmal nicht teil, weil meine Gastfamilie einen Ausflug machte.
Auch wenn das Haus recht bescheiden ist und sie außer einem neuen Receiver für den Fernseher (inzwischen haben wir um die 500 Sender, weswegen der tägliche Fernsehkosum drastisch in die Höhe gegangen ist) keine besonderen Luxusgüter hat, ist meine Gastfamilie aber nicht arm. Der Besitz den sie haben, zeichnet sich aber vor allem in lebenden Wesen aus und genau die suchten wir am Karnevalsmontag auf.
Nach einer halbstündigen Fahrt im Jeep, auch kurz den Fluss durchquert - Brücken sind eher selten und viel Wasser hat er sowieso nicht – und einem kurzen Fußmarsch standen wir mitten im Urwald, so zumindest stell ich mir einen unberührten Wald vor. Es machte den Anschein, als wäre dort noch nie ein Mensch gewesen, bis ich plötzlich vor einer kleinen eingezäunten Koppel stand, auf dem knapp zehn Rinder grasten. Ziemlich große und ebenso ein paar Kälber standen dort im Schatten der Bäume, muhten und grasten friedlich vor sich hin während wir ein kleines Feuerchen entfachten.
Doch damit endete dann auch die Ruhe. Die Männer schnappten sich eine große Kuh und begannen sie mit einem Strick um den Hals an einem Baumstumpf festzubinden und ihre Beine ebenso, damit sie sich nicht mehr bewegen konnte. Ich hatte noch nicht ganz verstanden, was sie vorhatten, doch als meine Gastschwester Litzi eine Geste mit der Hand machte, war ich ziemlich schockiert. Es machte tatsächlich den Eindruck als wollten sie hier und jetzt das arme Rind schlachten!
Gastcousin Mickey mit dem Brandzeichen |
Kleiner, süßer Nachbar |
Ziemlich verunsichert wurde ich trotzdem aufgefordert näher heranzutreten und Fotos davon zu machen. Zum Glück merkte ich aber kurz darauf, dass ich mich getäuscht hatte. Die Kuh durfte am Leben bleiben und sollte nur das Brandzeichen der Familie Padilla – meiner Gastfamilie – bekommen. Also wurde das Eisen aus dem Feuer genommen, die Kuh auf die Seite gelegt und ihr ein doppeltes P für Pablo Padilla auf den Rücken gebrannt. Auch wenn ich das nicht wirklich toll finde, war ich doch einfach noch zu erleichtert darüber, dass sie nicht vorhatten eine der Kühe zu töten. Nachdem Gastmutter Lourdes eine der Kühe gemolken hatte, wurde die frische Milch mit purem Alkohol und viel Zucker vermischt, wovon dann jeder einen Becher bekam. Bevor man einen Schluck trank, verschüttete man aber erst ein wenig über das Brandzeichen der Kuh. Dies ist wohl ein Ritual um das Rind als Besitz der Familie anzuerkennen, oder etwas in der Art.
Es wurden noch ein paar weitere Rinder gebrandmarkt, bevor Gastvater Pablo sie durch den Wald auf eine andere Weide trieb und wir uns wieder nach Hause aufmachten.
Am nächsten Morgen machten wir uns dann auf eine mehrstündige Fahrt über asphaltierte Straße, Feldweg und auch mal querfeldein zum Landbesitz meiner Gastschwester Litzi, die immer von ihrem Maisfeld erzählte, was sie besitzt. Darunter konnte ich mir immerhin schon mal etwas vorstellen, aber ich habe nicht damit gerechnet, dass das Feld so groß ist! Ich habe leider einer schlechte Vorstellung von Hektar oder solchen Größenordnungen um es genau zu beschreiben, aber es war extrem groß für mein Empfinden und es hätten wahrscheinlich sieben Fußballfelder draufgepasst. Und es war voll mit großen, grünen Maispflanzen.
Padre Freddy, sein Bruder Pablo, Gastmutter Lourdes und Gastschwester Nidia |
Glückliche Landbesitzer |
Was genau wir dort dann vorhatten, erfuhr ich ebenso erst wiedervor Ort: Essen. Wir holten Wasser aus einem Tümpel, wuschen das Gemüse darin und packten die schon vorher gekochten Kartoffeln und den Reis aus. Dann bekam jeder seinen Teller und ein Glas extrem süßen Wein und wir hockten einfach am Rand des Feldes und aßen. Danach wurde noch von allem etwas für die Jungfrau Maria geopfert und in einem kleinen Feuerchen verbrannt. Dann bekam jeder nachgeschenkt und sollte, bevor er trank an die vier Ecken der Asche einen Schluck vergießen, was vier Hausecken symbolisieren soll. Wir beteten also dafür, dass Litzi bald ihr eigenes Heim bauen könnte.
Und das wars. Danach fuhren wir die lange Strecke wieder nach El Torno.
Danach erlebte ich aber noch ein wenig vom Karneval in El Torno, denn die Jugendlichen hatten jede Menge Wasserpistolen und –bomben bereit, mit denen sie sich gegenseitig nass machten. Irgendwann kamen dann auch noch Farbpatronen hinzu. Während sie am Anfang etwas schüchtern waren auch mich in die Wasserschlacht mit einzubeziehen, verloren sie diese Hemmungen schnell und ich wurde ein beliebtes Opfer. Ziemlich schnell war ich komplett durchnässt, als wäre ich schwimmen gegangen und das ausgerechnet an einem Tag, der nicht ganz so heiß war. Dennoch hat es ziemlich Spaß gemacht und ich habe mein T-Shirt gerne an die Farbbomben verloren.
Gastschwestern Litzi und Nidia |
Essensopfer an die Jungfrau |
Liebe Grüße von manchmal eigenartigen Opferritualen aus Bolivien
Lisi
Mittagessen am Maisfeld |