Montag, 26. September 2011

Drei Hühner weniger

 
Anlässlich des vielleicht 65 Geburtstages (man war sich nicht immer ganz einig beim Alter) meines Gastvaters, war gestern Festtagsstimmung angesagt. Den ganzen Morgen über haben wir Kartoffeln geschält, Reis gekocht und es gab mindestens ein ganzes Schwein und fünf Hühner zu Essen. Nur zwei der Hühner waren gekauft, die anderen wurden einfach aus dem Garten genommen, gut dass ich mich verdrücken konnte, als es ums Schlachten ging, denn das ist nun wirklich nicht mein Ding.
 


 
Und dann war irgendwann ein Großteil der Familie versammelt, also alle sieben Kinder, mit diversen Enkelkindern, sowie Cousins, Tanten, Onkel und Geschwister meines Gastvaters Pablo. Der war den ganzen Tag über nur am Grinsen und abends dann so betrunken, dass er stundenlang auf einer Charanga (Minigitarre mit 12 Saiten) gespielt und schief dazu gesungen hat. Die Namen der ganzen Verwandten konnte ich mir jetzt auf die Schnelle leider nicht merken, dafür waren es einfach zu viele Leute um mich herum, aber es war auf alle Fälle interessant die verschiedenen Familienteile zu sehen.
 


 
Der Abend ging für mich dann aber schnell zu Ende, denn als ich von der Messe wiederkam, waren nur noch vier von den jungen Männern da, zu denen ich mich noch ein wenig dazugesellen wollte, weil ich hellwach war. Kurz darauf rief mich aber Gastschwester Betsy zur Seite und sagte mir, dass Padre Freddy und auch Lourdes es nicht gerne sähen, wenn ich allein mit den Jungs wäre. Da habe ich dann mal wieder gemerkt, dass hier doch eine etwas andere Einstellung herrscht...
Also ab ins Bett und noch ewig lang wachgelegen, bis ich endlich müde wurde.
 


Fröhliches Geburtstagskind

Liebste Geburtstagsgrüße
Lisi

Stimmungsschwankungen

 
Parade gefällig? Dann hätte man gestern in El Torno sein müssen, denn hier war wirklich der Bär los! Es war nämlich Geburtstag von Santa Cruz (dem Departamento/Bundesland) und in allen Städten wurde ordentlich gefeiert. 


 
In El Torno sah das dann folgendermaßen aus: an der Plaza war eine Bühne für die wichtigen Leute aufgebaut, wie den Bürgermeister, den Polizeichef und diverse andere Persönlichkeiten, von dem aus dann Reden gehalten wurden. Sogut wie alle Leute, die sich auf der Plaza versammelt hatten, liefen in Kostümen und Trachten durch die Gegend und hatten sich schick gemacht. Der Grund dafür war sehr einfach, denn nach den Reden folgte eine gigantische Parade.

 
Während insgesamt drei verschiedene Marschkapellen spielten, liefen jegliche Schulen und Vereine auf. Pro Gruppierung eine Uniform, die dann einmal um die Plaza marschierten, immer mit einem Banner vorweg. Von der Bühne aus wurde dann immer angesagt, wen man gerade zu sehen bekam und viele trugen Anzüge oder Kostüme, manche ihre Schuluniform und andere trugen ausgefallenere Gewänder. Die Stimmungen waren auch sehr unterschiedlich, von sehr angespannt und ernst, über freudestrahlend winkend, wenn man ander Familie vorbeiläuft, bis zu kaugummikauend mit Kopfhörer im Ohr. Der ganze Spaß dauert um die drei Stunden und zack war die Plaza wieder leer.
 
 
In der Bilbiothek war dementsprechend auch nachmittags nichts los, wer will schon an so einem Feiertag lernen? Aber abends verwandelte sich der Rest meiner Festtagsstimmung in Erschrecken. Litzi hatte mir erzählt, dass einer unserer Hunde (Diabla, der Name sagt alles) einen alten Man ins Bein gebissen hatte, den wir dann mit dem Padre zusammen besuchen fuhren. Er wohnte recht weit außerhalb, sehr nahe beim Fluss und die Häuser wurden immer ärmlicher. Wir hielten dann vor einem Holzverschlag mit Wellblechdach, doppelt so groß wie unser Schuppen zu Hause, der nicht so aussah, als würde er irgendwelchem Wind standhalten. Doch dort wohnte der alte Mann auch gar nicht, er wohnte nebenan.
 
 
Ein mit Stacheldraht begrenztes Stück Land, auf dem die Hütte stand, wenn man sie so nennen will. Sie besteht aus einem mit Palmenblättern abgedecktem Dach, dass sich auf meiner Schulterhöhe befindet und einigen Holzstützen, die es oben halten. Die Zwischenräume waren entweder auch mit Palmenblättern oder mit Stoffen oder Kleidungsstücken zugehängt. Der Innenraum, kaum drei Quadratmeter groß, war zur Hälfte mit einem Haufen Säcke zugestellt. Davor war eine schmale Liege, also ein Holzbrett, wo der alte Mann lag, in eine einzige Wolldecke gehüllt. Zu dritt passten wir nicht in den Raum, der davor noch blieb, denn links war etwas Regalähnliches aufgebaut und rechts stand ein Waschbottich. Mehr gab es nicht. Der Mann hat weder Strom, noch Wasser, also auch keine Toilette oder Dusche.


Wenn ich also dachte, dass einige Familien hier in Bolivien doch sehr einfach leben, dann übertrifft das wirklich alles, was ich bisher gesehen habe. Ein Glück hatte sich die Bisswunde nicht entzündet, auch wenn sie wirklich tief aussah, denn der Mann lebt alleine und hat niemanden, der sich um ihn kümmern könnte, also muss er gezwungenermaßen schnell wieder auf die Beine kommen.


Liebe Grüße aus diesen Gegensätzen
Lisi