Dienstag, 29. Mai 2012

Glückliches Leben


Nachdem ich nun fast einen Monat lang nichts mehr von mir habe hören lassen, will ich ein wenig über eine kleine Veränderung meines Projektes berichten.

Seit knapp vier Wochen arbeite ich nicht mehr ganzstags in der Bibliothek, sondern nur noch nachmittags. Meine Vormittage verbringe ich inzwischen im Centro de Ancianos „Vida Feliz“, was übersetzt in Etwa heißt: Altenzentrum „Glückliches Leben“. Seitdem ist mein Vormittag sehr abwechslungsreich geworden, doch erstmal eine kurze Beschreibung des Zentrums.

Mit einem Altenheim, wie es in Deutschland existiert hat es nicht viel zu tun, denn es gibt eigentlich keine Bewohner, sondern nur Besucher. Die älteren Menschen trudeln zwischen acht und neun Uhr morgens ein. Von Montag bis Freitag sind es zwischen 30 und 50 Leute - wenn es regnet, kommen meist nur 20, denn die Straße ist nicht asphaltiert und manche können nicht mehr gut durch den Matsch laufen – am Samstag sind es meist 150-200. Zwischen neun und halb zehn gibt es dann Frühstück, was die Köchin Berlinda zubereitet: ein heißes Getränk, sowie Brötchen (ab und an sogar mit etwas Honig). Danach folgt das Programm, das je nach Wochentag variiert. Es gibt den Tag der Gesundheit, an dem die Krankenschwester Mariela über Krankheiten und deren Prävention, sowie Behandlung erzählt. Es gibt den Tag der Spiritualität, wo abwechselnd Geistliche verschiedene Religionen Impulse geben, aus der Bibel vorlesen oder eine Messe halten. Der Tag der Landwirtschaft ist hauptsächlich für die Männer, die dann den Obst- und Gemüsegarten auf dem Gelände in Ordnung bringen. Außerdem backt Don Julian (Don ist eine respektvolle Anrede für Männer), ehemaliger Bäcker, jeden Mittwoch in der Früh Brötchen, die es dann die Woche über zum Frühstück gibt. Und jeden Tag erhält Köchin Berlinda Hilfe von den Frauen, die beim Schälen und Schneiden helfen, damit es gegen zwölf Uhr dann für alle Mittagessen gibt.

Nach dem Mittagessen gehen alle wieder nach Hause – entweder leben sie alleine oder sie wohnen bei einem ihrer Kinder, die jedoch nicht genug Zeit haben sich um ihre Eltern zu kümmern. Drei Männer haben jedoch kein Zuhause mehr und haben in der noch lange nicht fertiggebauten Herberge auf dem Grundstück des Zentrums ein Bett gefunden. Sie teilen sich ein Zimmer, das bisher leider noch keine Tür und kein Badezimmer hat. Dafür müssen erst genug Spenden zusammen kommen, doch wenigstens müssen sie nicht mehr auf der Straße schlafen und können vorläufig die Toiletten und die Dusche am Haupthaus benutzen.
Mit mir zusammen arbeiten dort Willan – der Leiter – Berlinda – die Köchin – Mariela – die Krankenschwester und eigentlich noch die Sekretärin Zulma, die aber gerade im Mutterschutz ist. An den Samstagen haben wir dann noch zwei Helfer mehr, denn das Samstagsprogramm gestaltet Becci und außerdem kommt noch Anita (aus Belgien) die Fotos macht und sie die Woche darauf an die Besucher verschenkt, die sich immer riesig darüber freuen.

Auch wenn ich keine feste Aufgabe habe, sondern immer gerade da helfe, wo jemand Hilfe braucht, fühle ich mich so wohl wie nie hier in El Torno. Ob ich Berlinda bei der Essensausgabe helfe, Mariela bei Hausbesuchen begleite, Willan in Sachen Computer helfe, mit Don Julian Brot backe, mit den Besuchern einen Spaziergang durch die Nachbarschaft mache, beim Erbsensortieren helfe, Fotos mache oder mich einfach mit dazu setze und ein wenig plaudere...ich fühle mich wohl. Und das liegt einfach nur daran, dass alle Menschen dort ausnahmslos lieb zu mir sind. Alle freuen sich immer mich zu sehen, fragen wie es mir geht, was ich gemacht habe, wann ich wieder zurück nach Deutschland muss und dass sie mich dann vermissen werden. Es ist einfach schön!

Liebe Grüße, von einer, ein gutes Stückchen glücklicheren
Lisi

P.S.: Leider klappt das mit den Fotos gerade nicht. Sie folgen, sobald es wieder funktioniert.

Donnerstag, 3. Mai 2012

Ein Stuhl, zwei Stühle...

Litzi und ich
Vor anderthalb Wochen habe ich noch einen bisher unbekannten bolivianischen Festtag erlebt: die Hochzeit der Chefin meiner Gastschwester Litzi. die Direktorin ihrer Schule heiratete den ehemaligen Direktor und das Kollegium war natürlich eingeladen.
Um fünf Uhr sollte die kirchliche Trauung in der benachbarten Pfarrei San Luis stattfinden, doch typisch bolivianisch schafften wir es natürlich nicht pünktlich. Genauer gesagt waren wir viel zu spät. Um sieben Uhr war in der Kirche natürlich nichts mehr los und als wir dann zur Feier gehen wollten, wurde uns gesagt, dass die erst um neun beginnen würde. Also hatten wir uns erst gestresst um dann noch zwei Stunden warten zu müssen. Zum Glück wohnte eine Kollegin nicht weit weg und wir konnten die Wartezeit dort verbringen.

Auch die Männer wollten den Brautstraß fangen

Als wir dann gegen halb zehn sehen wollten, ob nun Leute dort waren, erfüllte sich meine Befürchtung: es war immer noch kaum jemand da, denn alle kommen zur hora boliviana was meist eine Stunde später heißt. Aber wir setzten uns an einen der zwei vollen Tische zu Litzis Kollegen. Und dann ging der Alkohol rum. Nach und nach fanden dann auch die Hochzeitsgeschenke verschiedener Gästegruppen den Weg zum Pärchen. Und in vier Fällen waren es Stühle. Von Esstisch- über Liege- bis zu Gartenstühlen.

Das glückliche Paar
 Ich muss ehrlich sagen, ich würde meine Hochzeit niemals in Bolivien feiern. Als das Hochzeitspaar an uns vorbeiging, begrüßten wir sie nicht, es wurde nicht getanzt, bevor alle angetrunken waren, die Liveband war sehr gut, aber viel zu laut, als dass man sich hätte unterhalten können und die Wahl der Getränke beschränkte sich auf Wein oder Bier. Als das Hochzeitspaar dann aber einmal die Runde machte um mit allen ein Foto zu schießen, begrüßten sie uns und wir gratulierten ihnen. Irgendwann wurde dann auch das Tanzbein geschwungen und irgendwie konnte ich mich mal wieder nicht darum drücken die vielen Tanzeinladungen abzulehnen. Letztendlich wurde es doch noch ein sehr netter Abend, bei dem ich viele Leute kennengelernt habe und vielleicht einigen beibringen konnte, dass man in Deutschland deutsch spricht und mit Euro bezahlt und ich nicht zwingend aus den USA kommen muss, nur weil ich weiß bin.
 
Nur eine von vielen Bierflaschen

Damit liebe Grüße von der Hochzeit, nach der das Pärchen auf jeden Fall genug Möglichkeiten zum Sitzen hat
Lisi