Donnerstag, 24. November 2011

Kalte Dusche – Brrrr!

Ein ganz normaler Tag:

Mein Arbeitsplatz
Wenn ich nicht von der Familie – die früh aufsteht und dann nicht unbedingt leise ist und auch gerne vor meinem Fenster mal anfängt zu brüllen, weil mal wieder ein Hund oder eine Ente im Weg ist – oder von dem Hahn, der es sich ausgerechnet unter meinem Fenster bequem gemacht hat und alle zwei Minuten heiser kräht, geweckt werde, klingelt um sieben Uhr morgens mein Handywecker und es ist Zeit aufzustehen. Weil es doch meist schon zu dieser frühen Stunde sehr warm ist, folgt eine (immer) kalte Dusche, damit ich mich zumindest mal eine Viertelstunde frisch fühle, ich mach mich fertig und frühstücke dann. Meist alleine, da scheinbar in Bolivien Frühstück eher unwichtig ist. Während ich also die Margarine und die Marmelade aus der Tiefkühltruhe hole (ist Truhe und Kühlschrank in einem), den Tee nicht aus der Kanne auf dem Tisch, sondern aus der Kanne auf dem Herd trinke – der ist nämlich noch ungezuckert – und mir dann in aller Ruhe eins der süßen Milchbrötchen aufschneide und beschmiere, kommt meist ein weiteres Familienmitglied und „frühstückt“. Heißt, dass sich ein Brötchen geschnappt wird und es dann trocken mit dem Zuckerwassertee hinuntergespült wird. Und das meist so schnell, dass ich es in der Zeit nicht mal schaffe eine Brötchenhälfte zu essen. Falls ich noch Lust auf ein Müsli habe, sehe ich kurz nach, ob noch Milch da ist und gehe dann zur tienda (kleiner Laden) nebenan und kaufe Cornflakes, die es dort nicht in großen Packungen, sondern in kleinen Portionstütchen gibt und genieße dann noch mein Müsli.

Viel in Gebrauch
Nach dem Zähneputzen packe ich dann fix meine Tasche mit allen wichtigen: Handy (damit ich immer erreichbar bin), Wörterbuch (fall ich mal nichts verstehe), Geld (falls ich mir für den Vormittag noch Schokokekse kaufen will), Schlüssel (damit ich auch in die Bibliothek komme) und mein Netbook. Auf der Straße ist immer schon reger Betrieb und vor allem vor der Schule, an der ich vorbeigehe, werden fleißig Stände aufgebaut. Zur Zeit ist es deutlich weniger, weil Ferien sind und auch die Cholita mit ihrem Wägelchen, bei der ich immer Kekse gekauft habe, kommt zu Zeit nicht. So ein Mist! Ab und an kriege ich sogar schon am frühen morgen von irgendwem ein „I love you“ oder „Choqua“ (eigentlich bezeichnet choquo die Farbe von Schokolade, wird aber gerne für alle Farben verwandt, oder für Menschen mit hellerer Haut oder hellerem Haar, also mich) zugerufen, oder es wird neutral gepfiffen. Darauf braucht man sich aber nichts einbilden, denn das gilt eigentlich gar nicht mir, sondern lediglich meinen blonden Haaren und meiner hellen Haut, weshalb ich es geflissentlich ignoriere.

Nach zwei Minuten Fußweg an der Bibliothek angekommen, schließe ich erst alle Türen auf, hole dann den Besen und fege draußen, was herzlich wenig bringt, denn wenn es etwas windig ist, ist es auch nach einer Minute schon wieder völlig staubig, aber egal. Morgens ist in der Bibliothek eher weniger los, weil die meisten dann Schule haben, es gibt aber auch Schüler, die Nachmittags- oder Abendunterricht haben und morgens die Zeit zum lernen in der Bibliothek nutzen. Inzwischen haben hier aber die Ferien angefangen, die bis Anfang Februar dauern und die Zahl der Besucher hat dadurch deutlich abgenommen. Nur verständlich, wer will schon in den Ferien lernen? Dementsprechend habe ich viel Zeit, die ich meist mit lesen verbringe, wenn es meiner Gastschwester Litzi nicht einfällt, dass ja am Sonntag die Firmung ist und noch die Bemalung von zwölf (!) Deckchen für die Kirche fehlt und unsere Gruppe ja für die Dekoration zuständig ist. Nun sollen wir noch zig Blumen aus Moosgummi basteln und dann wollte sie noch mit allen Mädchen einheitliche Röcke nähen und an den Deckchen fehlt natürlich noch die Rüschenborte und...und...und... Irgendwie doch recht stressig, wenn ihr immer so kurz vorher noch so viel einfällt. Ich versuche mich davon aber nicht stressen zu lassen und nehme mir immer mal wieder Zeit auch mal wieder etwas zu schreiben, so wie im Moment.

Viel Betrieb in der Bibliothek
Um 12 Uhr schließe ich die Bibliothek dann und gehe wieder nach Hause, wo das Mittagessen schon fertig gekocht ist. Da es aber inzwischen volle Mittagshitze ist, muss man es nicht unbedingt heiß essen, sondern ich kann die Zeit noch gut zu einer zweiten kalten Dusche nutzen, damit ich mich mal wieder frisch fühle und dann setze ich mich noch zu meiner Gastmutter Lurdes eine Weile vor den Fernseher, wo die schrecklichste Talkshow läuft, die ich bisher gesehen habe, die aber vor allem für meinen Gastvater Pablo das Highlight des Tages ist, wenn er rechtzeitig von der Arbeit kommt. Gegen ein Uhr wird dann gegessen. Meist meine Gasteltern und ich am Tisch in der Küche, während sich Gastbruder Juan aus irgendeinem Grund lieber allein vor den Fernseher setzt. Um kurz nach eins kommt dann auch Gastschwester Litzi von ihrer Arbeit als Lehrerin ein paar Dörfer weiter heim und isst auch noch. Danach ist Siesta. Das heißt, dass gegammelt wird. Entweder wird vorm Fernseher eingeschlafen, oder man legt sich gleich ins Bett. Ich mag aber keinen Mittagsschlaf, also gucke ich entweder ein wenig Fernsehen, wobei Pablo jedoch meist mit der Fernbedienung in der Hand einschläft und ich dann nicht umschalten kann, oder ich geh in mein Zimmer und lese ein bisschen.

Um zwei gehts dann wieder zu Bibliothek. Beziehungsweise, sollte es eigentlich. Meist verschläft Litzi und wir kommen erst um viertel nach zwei los. Dann reicht die Zeit aber immernoch um Padre Freddy im Pfarrheim noch einen Besuch abzustatten, bei ihm noch einen Happen zu essen und dann erst auf drei zur Arbeit zu gehen. Die sogenannte hora boliviana (bolivianische Stunde)!

Neuerdings entwickelt Litzi einen Putzfimmel und betritt die Bibliothek immer mit den Worten „Muy sucio!“ (Sehr dreckig!) und fängt plötzlich an alles zu putzen, was sie den Tag vorher auch schon geputzt hat. Ich helfe natürlich immer mit, aber irgendwann reicht es mir und ich beschäftige mich lieber anders. Zum Glück hat sie die künstlerische Gestaltung der Deckchen inzwischen an ihre Firmis weitergegeben, sodass ich mich damit nicht mehr quälen muss, denn ich kann einfach nicht sonderlich gut malen und wenn ich dann daran denke, dass mein Werk dann demnächst in der Kirche für alle zu sehen ist, macht es nicht unbedingt mehr Spaß.
Eis, schon fast leer
Außerdem hatte ich die letzten Wochen auch genug damit zu tun die fehlenden Abteilungen der Bücher in das neue Inventar (das erste am Computer) aufzunehmen. Einerseits total anstrengend, vor allem weil ich dann nicht direkt unter dem Ventilator sitzen konnte, andererseits weil ich mit der spanischen Tastatur so meine Probleme hatte. Inzwischen beherrsche ich aber die spanische und die deutsche ganz passabel, sodass ich etwas schneller tippen kann.
Zwischendurch wird meist noch ein Eis an einem der Straßenstände gekauft. Entweder ein Milcheis mit Waffel, oder ein Joghurt- oder Erdbeersafteis im Plastikbecher. Ich bevorzuge das Joghurteis. Super lecker! Und wenn wir abends mal wieder etwas länger machen, weil Litzi unbedingt noch ihre Blume auf dem Stoff fertig malen will, gehe ich schnell zu dem Straßenstand, der nur abends da ist und lecker Pfirsich-refresco (Erfrischung) und verschiedenes Gebäck verkauft. Wenn es keine empanadas con queso (Teigtaschen mit Käse, in dem Falle frittiert) oder cuñapés (Gebäck mit Yukka) gibt, probiere ich immer mal was neues aus und bisher war alles sehr schmackhaft, was erklärt, warum der Stand nach spätestens zwei Stunden ausverkauft ist.

Dann gehts auf nach Hause, wo es entweder die Mittagsessensreste zum Abendbrot gibt, oder nochmal gekocht wurde. Wenn dann nicht noch irgendeine reunión (Treffen) mit der Firmgruppe, deren Eltern oder den Pfarrern stattfindet, verbringe ich gerne einen ruhigen Abend vorm Fernseher. Dort laufen entweder Nachrichten (immer eine Stunde am Stück, sodass jeder Bericht herzlich schön in die Länge gezogen werden kann) oder eine der vielen Telenovelas. Allesamt für mich ätzend romantisch und völlig bar jeder Logik, aber die Reaktionen meiner Gastfamilie machen es für mich dann wieder interessant, denn es wird ordentlich mitgefiebert.

Daniel und Lucy, von der musikalischen Untermalung
Danach geht es für mich dann wieder unter die kalte Dusche, damit ich zumindest eine Chance habe, bei den - auch um elf Uhr abends und obwohl die Sonne dann schon seit vier Stunden untergegangen ist - noch nicht weniger anstregenden Temperaturen zu schlafen. Manchmal habe ich das Pech, dass die Nachbarn mal wieder irgendeine fiesta (Party) feiern und die Musik so laut aufdrehen, dass ich das Gefühl habe, die Box stünde direkt neben meinem Bett (Ruhestörung gibts hier aber nicht). Dann hilft nur noch: Kopfhörer in die Ohren und meine Musik so laut stellen, dass sie die andere übertönt. Dass ich dabei nicht sonderlich gut schlafen kann, erklärt sich von selbst.

Das ist also momentan mein alltäglicher Tagesplan
Liebe Grüße von der Warmduscherin, die sich inzwischen tatsächlich fast an die kalte Dusche gewöhnt hat
Lisi

P.S.: Bilder folgen bald ;-)