Montag, 30. Januar 2012

Rückkehr nach Deutschland?

Eselfamilie am Fluss
 
Wie das auch in Deutschland immer so ist, jagt im Dezember ein Feiertag den anderen und nachdem ich Weihnachten auf bolivianische Art gefeiert habe,ging es zu Silvester eher deutsch zu.

Am 30. quetschte ich mich mit Redmys Familie in seinen Jeep und wir fuhren mitten in der Nacht von Padilla aus nach Sucre. Redmy wollte dort einen Tag mit seiner Familie verbringen und sich ein bisschen die Stadt ansehen, während ich von Julia abgeholt wurde. Weil einmal mehr herrlichstes Wetter war, verbrachten wir den Tag teilweise draußen, in einem Cafe sitzend, wo wir uns mit einigen anderen Freiwilligen trafen. Weil am Anfang des Januars gleich das Zwischenseminar mit allen Freiwilligen anstand und der Weg von Sucre aus nicht sehr weit war, trudelten insgesamt 22 der 26 Freiwilligen Hildesheims in Sucre ein, sodass wir für Silvester zwei Gruppen bildeten.
Ein kleiner Wegbegleiter

Mit neun Leuten feierten wir in Lenas Wohnung, bereiteten Wraps und Schokofondue vor, was genüsslich verspeist wurde, bis wir alle nicht mehr konnten. Um Mitternacht gingen wir dann auf ihren Balkon, von dem man aus fast die ganze Stadt im Talkessel sehen kann und genossen die Raketen, die den Nachthimmel erhellten, während eifrig nach Hause telefoniert und geschrieben wurde. Und nachdem wir dann noch ein paar Stunden in eine Disko gefahren waren um unsere Tanzlust zu stillen, fielen wir in der Morgendämmerung ins Bett.
Der nächste Tag fing dementsprechend spät an und Lenas Nachbarn brachten, als wir gerade frühstückten, schon zwei Teller mit Mittagessen als Geschenk vorbei. Der Tag verging recht schnell, weil ja nicht mehr so viel davon übrig war und auch der nächste Tag verlief sehr ruhig.


Kirche in Potosi

Am 3. Januar ging es dann aber für alle Freiwilligen auf nach Potosi zum Zwischenseminar. Hieß also einmal mehr: Rucksack packen und ab in die Flota. Ein bisschen essen und trinken, ein bisschen dösen und schon waren wir da und ich musste sagen, dass ich Potosi keineswegs so hässlich fand, wie immer alle erzählten. Von Potosi aus mussten wir dann aber noch im Minibus eine halbe Stunde nach außerhalb fahren, nach Tarapaya, wo das Zwischenseminar stattfinden sollte.

Tarapaya. Nunja, wir hatten ja schon mitbekommen, dass wir uns „etwas außerhalb“ befinden würden, aber damit hatte keiner gerechnet. Tarapaya ist ein kleines Dörfchen, was aus einem Militärübungsplatz, einer Herberge, einer Kirche und einigen Wohnhäusern besteht. Der Haken dabei: die Häuser waren fast alle verlassen und zerfallen. Uns wurde berichtet, dass im Dorf nur noch zwei alte Frauen leben, die Plaza sah dementsprechend ebenfalls heruntergekommen aus. Zu allem Überfluss gab es nicht einmal eine Tienda, an der man irgendetwa zu Naschen oder Klopapier hätte besorgen können.

Vertrocknete Plaza in Tarapaya

Als wir uns dann in die Acht- bis Neunbettzimmer verteilten, kam der nächste Schock: es gab keine Duschen! Unser Betreuer Magnus gestand, dass er bei der Buchung nicht nachgefragt hatte, weil er davon ausgegangen war, dass bei Zimmern für über 30 Leute auch Duschen vorhanden sein müssten. Nunja, aus kleinen Fehlern lernt man. Beim nächsten Mal würden sie sich besser erkundigen. Das gute war, dass Tarapaya nicht für das Dörfchen bekannt ist, sondern für die heißen Quellen, die nur eine Viertelstunde Fußmarsch entfernt lagen. Die Anwohner hatten daraus ein Schwimmbad gemacht, was von uns dann als morgendliche Dusche genutzt wurde. Einfach erstaunlich, dass aus der Leitung, die Quellwasser ins Becken pumpte, kochend heißes Wasser floss, in dem man es bei den teils kühlen Außentemperaturen gut aushalten konnte.

Eins der vielen Häuser in Tarapaya

Unser Seminar wurden von unseren Verantwortlichen der Hermandad (Partnerschaft zwischen Hildesheim/Trier und Bolivien) Araceli (Bolivianerin) und Magnus (Deutscher), sowei Ruth geleitet. Ruth hat eine Initiative für die Schuhputzer in La Paz gegründet und nimmt ebenfalls Freiwillige auf, die dann mit ihnen arbeiten. Mit allen drei kamen wir wunderbar klar und nachdem wir am ersten Tag das Programm festgelegt hatten, waren wir auf die Inhalte gespannt. Da wurde zum einen über unsere Projekte und unser Befinden berichtet, die Zukunft einiger Projekte wurden besprochen, Problemlösungen wurden angeregt und wir sprachen auch schon über unsere Rückkehr nach Deutschland, was ich einerseits interessant fand, andererseits viel zu früh! Es ist zwar nun die Hälfte des Jahres rum, aber sich so intensiv mit der Rückkehr zu beschäftigen fand ich noch viel zu früh, vor allem wenn im Projekt noch so viel bevorsteht.

Freiwillige auf dem Weg nach Potosi

Dazu muss ich kurz etwas erklären. In meiner Gemeinde in El Torno gibt es zwei Pfarrer: Padre Freddy (mein Chef und Gemeindepfarrer) und Padre Prospero (zweiter Pfarrer). Zwischen den beiden gab es wohl vermehrte Meinungsverschiedenheiten und Prospero hat deutlich gemacht, dass er Gemeindepfarrer werden will. Freddy schien darüber keinen Streit zu wollen und nun steht in den nächsten Wochen der Wechsel an. Padre Prospero wird Gemeindepfarrer werden und damit auch mein Chef und Freddy wird El Torno wohl verlassen, weil er dann nicht mehr hier sein wird. Auch meine Gastschwester Litzi will eigentlich mit Prospero als Chef weiterhin in der Bilibothek arbeiten. Hier wird sich also wohl einiges ändern.


Diese Änderung will ich aber auch für mich nutzen und versuchen mein Projekt ein wenig zu ändern, denn momentan sitze ich acht Stunden in der Bibliothek herum und schlage Bücher in Plastikumschläge ein. Das ist nicht unbedingt das, was ich mir vorgestellt hatte und nun will ich sehen, ob ich vielleicht vormittags weiterhin in der Bibliothek arbeiten kann, vielleicht aber nachmittags noch etwas anderes tun kann. Das muss ich dann mit Padre Prospero besprechen, wenn sich das mit dem Wechsel irgendwie geregelt hat. Ich bin gespannt, wie das wird.


Auf in die Mine!

Zwei Highlights auf dem Seminar waren für mich aber vor allem: das Essen und der Ausflug nach Potosi. Wir hatten zwei Köchinnen, die wirklich leckere Mahlzeiten (fünf Stück pro Tag) zubereiteten und für mich und drei andere gab es auch immer extra etwas Vegetarisches, was wirklich schmackhaft war und eine nette Abwechslung zu meinen täglichen Kartoffeln in El Torno.

Unser Leiter und die Statue des Minengottes

Der Ausflug nach Potosi war sehr spannend, denn wir besuchten die dortigen Silberminen, die die Stadt im Hochland einst zur reichsten Stadt Boliviens gemacht hatten. Inzwischen ist es die ärmste und das sieht man an vielen Ecken. Als wir die Minen in zwei Gruppen besichtigten, fand ich viele Dinge erschreckend:
- dort wurde noch gearbeitet
- unsere Touriausrüstung war besser, als die der Arbeiter
- viele der Arbeiter waren in meinem Alter oder sogar noch jünger
- die Lebenserwartung eines Mineros liegt bei 45 Jahren
- in den unteren Levels der Mine muss bei teilweise 50° C gearbeitet werden
- die Arbeiter sind alle drogenabhängig (Alkohol, Coca, Zigaretten), damit sie es in den Minen aushalten

Vulkankrater mit heißem Wasser
 
Ich fand es zwar unglaublich interessant und spannend, aber dennoch war ich sehr froh, als ich wieder Tageslicht sah und ich konnte mir nicht vorstellen, wie die Arbeiter sieben bis acht Stunden täglich in den Minen arbeiten können.
Angeblich hätte man aus dem Silber, was zur Zeit der Spanier abgegbaut wurde, eine Brücke von Bolivien nach Spanien bauen können. Der erschreckende Teil ist aber, dass man genauso gut eine Brücke aus den Knochen der in den Minen umgekommen Mineros zurückbauen könnte.

Der andere Ausflug war etwas kürzer, denn wir machten eine kleine Wanderung einen der Berge hinauf, die uns umgaben und erreichten einen Vulkansee. Es war ein kühler Tag, aber das Wasser dampfte vor sich hin, denn der See hatte keinen Boden, sondern irgendwo ganz weit unten erhitzte die Lava des Vulkans das Wasser und so konnte man angenehm schwimmen gehen ohne zu frieren. Für Bolivianer ist es generell aber verboten dort ins Wasser zu gehen, denn in der Mitte gibt es wohl einen leichten Strudel und fast kein Bolivianer kann schwimmen, was dann sehr gefährlich werden könnte.

Tja und dann war die Woche mit den Freiwilligen auch schon wieder rum und mit vielen neuen Informationen konnten wir uns wieder auf den Weg machen.
Privatbad der heißen Quellen

Liebe Grüße nach Deutschland, was mich in einem halben Jahr wiedersehen wird
Lisi