Sonntag, 2. Oktober 2011

¡Pare, por favor!


Damit ihr ein wenig besser versteht, wie hier das Leben um mich herum abläuft, will ich einen kurzen Einblick in die Transportmittel Boliviens geben.
Einmal gibt es natürlich Flugzeuge. Flughäfen gibt es jedoch nur in den großen Städten, die hier eher selten sind. Obwohl ein Flug von Santa Cruz nach La Paz gerade mal eine Stunde braucht, ist er für die meisten Bolivianer unerschwinglich und wird deshalb selten genutzt.

Für lange Strecken wird eigentlich immer mit der Flota gefahren. Das ist im Prinzip ein Reisebus, den es für alle Strecken zwischen allen großen Städten und manchmal auch in weniger große Orte gibt. Je nachdem, wie groß der Geldbeutel ist, kann man eine 17 stündige Fahrt bequem in einem breiten Schlafsessel verbringen, oder man muss mit einem normalen Reisebussitz vorlieb nehmen.

Es gibt auch manchmal die Möglichkeit Zug zu fahren. Allerdings habe ich bisher ein einziges Mal einen Zug gesehen, gibt es also eher selten und im Hochland überhaupt nicht, weil man dort kaum Schienen verlegen kann.

Innerhalb der Städte und noch ein bisschen ins Umland hinaus gibt es dann die Micros, das wahrscheinlich am häufigsten genutzte Verkehrsmittel hier. Ein Micro ist ein kleiner Bus, in dem es rund 20 Sitzplätze gibt. (Kurze Anmerkung: Es gibt Unterschiede zwischen den Städten, ich berichte nun nur von Santa Cruz) Dazwischen ist Platz für – bequem - 20 oder – unbequem – auch mal geschätzte 100 weitere Fahrgäste.
Die Micros haben alle eine Nummer und daneben Schilder mit den wichtigsten Orten, die passiert werden. Dadurch ist es nicht wirklich schwer den richtigen Bus zu nehmen, schwieriger ist es dann nur im Dunkeln in einem unbeleuchteten Außenbezirk die richtige Ecke zum Aussteigen zu finden.
Der Microfahrer hat die Aufgabe zu fahren, das Geld zu kassieren und zu wechseln (eine Fahrt kostet zwischen einem und zwei Bolivianos – 10-20 Cent), darauf zu achten, ob am Straßenrand jemand winkt, der einsteigen will oder ob jemand im Bus aussteigen will, indem er ¡Pare, por favor! sagt. Dass bei diesen ganzen Aufgaben die gute Fahrweise mal zu kurz kommt, ist ja nur verständlich. Zudem sind die Micros beinahe die einzigen Fahrzeuge, die eine Gangschaltung haben, sonst wird eigentlich immer Automatik gefahren.
Es gibt aber viele Möglichkeiten, wie eine Microfahrt aussehen kann:
1. Der Micro ist überfüllt und hält auf mein Winken nicht mehr an.
2. Der Micro ist überfüllt, hält an und ich kann irgendwie einen Fuß auf das Trittbrett stellen und mich mit zwei Fingern an einer Haltestange festhalten, sodass ich aus der Tür heraushänge und immerhin frische Luft habe. Meist steigt bald darauf jemand aus und ich kann weiter durchrücken oder es steigen mehr Leute ein, die es irgendwie schaffen noch mehr zu quetschen, sodass ich reinkomme.
3. Der Micro ist überfüllt, aber ich werde solange vom Fahrer angesprochen, bis ich es schaffe soweit durchzurücken, bis die Tür zugeht – meist passiert das, wenn die Polizei kontrolliert, was sehr selten geschieht.
4. Der Micro ist voll, aber ich kann noch einsteigen und die Fahrt über stehen, was sich besonders angenehm gestaltet, wenn die Microdecke auf Schulterhöhe bei mir ist. Dann heißt es Kopf einziehen und  die Haare und Ellenbogen im Gesicht zu ignorieren.
5. Der Micro ist voll, ich kann einsteigen und irgendwann wird ein Sitzplatz frei, der mir von allen umstehenden Männern überlassen wird, weil ich weiß bin.
6. Der Micro ist nicht voll, ich bekomme einen Sitzplatz. Wenn der Sitzplatz in der Nähe der Tür ist, läuft es aber meist darauf hinaus, dass irgendwann eine ältere Person, eine Schwangere oder eine Frau mit kleinen Kindern einsteigt, denen man immer einen Sitzplatz anbietet.
7. Der Micro ist nicht voll und ich bekomme gleich einen Sitzplatz und kann bequem sitzen, bis ich aussteigen muss.
Während der Fahrt gibt es dann noch diverse Arten sein Geld loszuwerden. Natürlich ist eine Diebstahl, was in dem Gedränge kaum auffällt, weil man gar nicht merkt, wenn einem jemand in die Taschen greift und etwas entwendet. Eine angenehmere sind die Menschen, die da, wo der Bus an einer Ampel hält, Popkorn, Nüsse oder Eis verkaufen, dann heißt es nur schnell einen Boliviano bereithalten und kaufen. Eine weitere sind diverse Musiker, die in den Bus einsteigen und ein oder zwei Lieder schmettern. Das ist meist sehr schwierig, weil sie teilweise in dichtem Gedränge stehen müssen, eine Gitarre in beiden Händen und dann bei der holperigen Fahrt keine Möglichkeit haben sich festzuhalten. Danach gehen sie einmal rum und bekommen meist von jedem Fahrgast ein oder zwei Bolivianos.

In den Städten gibt es dann aber auch noch Taxis. Zum einen gibt es Autos, die ein Taxischildchen hinter der Fensterscheibe kleben haben – das kann jeder machen, der ein Auto hat – und es gibt die Radiotaxis, die sicherer sind, weil sie bei jedem aufgenommenen Fahrtgast eine Meldung an ihre Zentrale machen. Außerdem haben sie eine Telefonnummer, sodass man sich auch zu Hause abholen lassen kann, wenn man denn eine Adresse hat, was nicht immer der Fall ist.

In den kleineren Städten und Dörfern gibt es meist nur noch Moto-Taxis. Das sind dann einfach Motorräder, die als Taxi fungieren. Es ist durchaus möglich mit zehn Kilo Gepäck oder auch mit fünf Fahrgästen zu fahren, da gibt es kaum Grenzen.

Wer es sich leisten kann, hat natürlich auch ein eigenes Auto oder Motorrad. In La Paz gab es das kaum, in Santa Cruz deutlich mehr und hier in El Torno, wahrscheinlich jeder zweite. Einfach aus dem Grund, dass es hier nicht mehr so viele Öffentliche gibt.

In der Stadt fällt diese Möglichkeit eher weg, aber auf dem Land ist es auch durchaus üblich Fahrrad zu fahren, denn der Verkehr ist hier nicht so dicht und gefährlich. Wenn man also mal schnell zum Markt will, schwingt man sich aufs Fahrrad und losgehts. Wenn man auch noch seine Freundin auf dem Lenker sitzen hat, ist man der Held.

Außerdem gibt es natürlich immer noch die Füße.

Liebe Grüße aus dem Verkehrschaos
Lisi

3 Kommentare:

  1. Haben die Micros den keine Luftlöcher in der Decke sonst könntest du bei der Fahrt den Kopf oben aus dem Auto raushalten.

    Medi hat heute echt klasse Musik mit ihrer Rhytmikgruppe gemacht musst du dir mal anhören wenn du wieder da bist.

    MfG Jakob

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  2. Mal schau'n, ob ich einen Kommentar schreiben kann.

    Das gefällt mir gut, wie du deinen Blog schreibst. Das lässt sich sehr gut lesen.
    Pa

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  3. In Tnazania hieß das immer "Schuscha" zum anhalten.
    Aber da hätten die nie und nimmer auch noch Musikanten mit in den Dala Dala bekommen!!!

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