Die Zeit rennt wirklich davon. Inzwischen bin ich schon drei Monate in Bolivien und habe mich ganz gut in meinem Zuhause auf Zeit eingelebt. Während der Winter in Deutschland wahrscheinlich mit großen Schritten naht und man gerne drinnen sitzt und Tee trinkt, während es draußen kälter wird, ist hier in Bolivien der Frühling in vollem Gange, was heißt: es ist heiß und fängt ab und zu mal an heftig zu regnen.
Viele Backbleche |
Am 1. November ist hier das Fest „Todos los Santos“ (Allerheiligen), genauso wie in Deutschland, doch wird es etwas anders begangen. Während normalerweise ein grauer Novemberhimmel vorherrscht und es wahrscheinlich sogar unangenehm nieselt, verbrachte ich dieses Jahr Allerheiligen in der Küche. Mit drei meiner Gastschwestern und noch einer Schwägerin und der Cousine und der Tante, die ab und an von nebenan rüberschauten, bereiteten wir alles für den kommenden Tag vor. Es hieß also Teig machen. In großen Schüsseln bereiteten wir insgesamt fünf Teigmassen vor (meist zu 70% aus Zucker bestehend) und fingen dann an sie zu Brötchen zu rollen, Figuren zu formen oder Kekse auszustechen. Dann gabs auch noch eine bolivianische Spezialität: Empanadas. Das sind Teigtaschen, die mit Käse oder Gemüse gefüllt sind. Wahlweise können sie frittiert oder gebacken werden. Die gesammelten Werke wurden dann auf die zig Bleche verteilt und in dem großen Ofen hinten im Garten gebacken, was durch die ernorme Hitze, die in dem Ding herrscht rasend schnell ging. Zwischendurch kam ich wirklich fast in Weihnachtsstimmung, schließlich war November und ich habe Kekse gebacken. Weihnachten ist ja auch nicht mehr lange hin. Aber bei 30 Grad im Schatten, kommt man doch ungewöhnlich viel ins Schwitzen beim Backen...
Hauptzutat: Zucker |
Nach vielen Stunden Arbeit, verdorbenem Magen (weil ich natürlich vom Teig genascht habe!) und schmerzenden Fingern vom vielen Kneten, hatten wir dann insgesamt drei große Körbe mit verschiedenstem Gebäck, was dann auf alle aufgeteilt wurde und nach und nach leerte sich das Haus wieder. Wer sich nun fragt, wo denn eigentlich meine Gastmutter war, die ich nicht erwähnt habe: die war nicht zu Hause. Mit meinem Gastbruder Juan ist sie nach Sucre gefahren um die Papiere für den Jeep zu beantragen, weil momentan strenge Polizeikontrollen herrschen und jedes Auto, was keine gültigen Papiere hat, einkassiert wird. Da ist es einfacher einmal in die Hauptstadt zu fahren und die Papiere zu holen. Klingt aber einfacher als es in Wirklichkeit ist. Aus den geplanten drei bis vier Tagen wurden ganz schnell zwei Wochen. Die Windschutzscheibe hatte einen großen Riss (was hier völlig normal ist) und musste getauscht werden und auf der Fahrt ist dann auch noch ein Reifen geplatzt. Das bedeutete mehr Kosten und mehr Zeit.Deshalb war Lurdes weder zu Allerheiligen, noch zu Allerseelen im Haus, sondern kam mit Juan erst am Donnerstag wieder.
Von links: Litzi, Ich und eine Schwägerin |
Über Allerseelen war sie besonders traurig, denn das ist hier ein riesiges Fest. Der Tag ist immer dem kürzlichst verstorbenen der Familie gewidmet. In meinem Fall war das die Großmutter, die Mutter von Lurdes, die vor zwei Jahren verstorben ist. Während ich morgens allein in die Messe ging und das Bild von der Abuelita (Großmütterchen) zu den anderen zig vor den Altar stellte – Bethsi wollte auch mitkommen, verlässt aber mit ihrem inzwischen deutlich erkennbaren Babybauch nur noch selten das Haus, damit die Leute nicht tratschen – wurde im Haus schonmal ein Tisch für die Oma bereitgemacht.
Rohe Kekse :) |
In der Messe wird generell nach den normalen Fürbitten eine lange Liste von Namen vorgelesen, für die in besonderer Weise gebetet wird. Bei uns ist das ja normalerweise nur eine Person pro Messe, hier ein paar mehr, sodass es meist drei Minuten (wenn man drauf achtet, ist das ganz schön lange) dauert die Liste vorzulesen. An Allerseelen ist die Liste aber gleich sieben Seiten lang, sodass es in diesem Fall gute zehn Minuten dauerte und der Pfarrer uns erlaubte uns hinzusetzen, während er vorlas und danach erstmal ein Glas Wasser gereicht bekam. Letztendlich waren es sogar mehr Namen als Gottesdienstbesucher. Meiner Meinung nach völlig übertrieben.
Gastneffe Darwin |
Der Ofen wird angefeuert! |
Als ich dann nach Hause kam, stand im Kartoffellagerraum ein Tisch mit drei Blumenvasen, einem Kreuz, sechs Tellern mit dem Gebäck und einem Teller Mittagessen für die Großmutter. Es kam mir beinahe so vor, als würde sie gleich zur Tür hereinspaziert kommen und sich an den Tisch setzen um zu essen. Stattdessen wurde aber nur ihr gesegnetes Bild dazu gestellt und dann stellten sich die anwesenden Schwestern drumherum und beteten ein paar Vater Unser und Ave Maria. Danach wurde das Ganze abgeräumt, den Teller Mittagessen bekamen die Schweine.
Fertige Kekse |
Abends war ich dann mit Bethsi noch kurz den Friedhof in El Torno angucken, wobei man ihn wirklich nicht Friedhof nennen kann, denn mit „In Frieden ruhen“ hat das nichts zu tun gehabt. Es war ein einziger Rummel! Aber zuerst einmal allgemein: die Gräber sehen etwas anders aus. SIe sind ausnahmslos gefliest, Beete gibt es nicht. Dann sind meist Nischen eingelassen, in denen Blumenvasen oder Kerzen stehen, manchmal auf de Spitze noch ein Kreuz. Und zur Allerseelen werden wie wild große Gestecke von Blumen aus ausgeschnittenen Plastiktüten gekauft und dazugehängt. Außerdem werden die Verstorbenen nur für drei Jahre begraben, dann wieder ausgegraben und verbrannt und anschließend wird die Urne wieder vergraben – vorausgesetzt, der Körper wird nicht gleich verbrannt.
Bolivianischer Friedhof, ohne Menschen |
Der Tisch für die Oma |
Nun aber zum Rummel: es war voll! So voll, dass man kaum gehen konnte und häufig wurde auch über die Gräber geklettert. Am Eingang stand Padre Freddy mit ein paar Monaguillos (Messdienern) und weihte fleißig alles mit Weihwasser, was unter ihm herging (er stand auf einem Stuhl). Das schien er schon ein paar Stunden zu machen, denn der Boden um ihn herum war nur noch ein See. Während viele Leute an den Gräbern saßen und beteten, liefen mindestens genauso viele mit kleinen Bauchläden oder langen Stangen mit Zuckerwatte herum und verkauften was das Zeug hält. Auf mehrere Gräbern hatte man auch Gebäck ausgelegt, was von Kindern gewonnen werden konnte, wenn sie ein Ave Maria aufsagten. Unglaublich, dass das ganze ein Friedhof war!
Fleißig am Rühren und Kneten |
Das war erstmal der Bericht über die Feiertage, an denen natürlich auch spontan die Bibliothek geschlossen war.
Liebe Grüße vom Friedhofskirmes
Lisi
Da feiern die toten wenigstens ne party und haben spass. Meiner meinung nach genau richtig.
AntwortenLöschenMfg Jakob
Finde ich auch. Auf der einen Seite zwar Trauer um die Verstorbenen, aber hier wird vor allem stark dran geglaubt, dass sie im Himmel sind und das ist ein Grund zu feiern :)
AntwortenLöschenWas macht man auf deiner Seite der Welt, wenn man nicht gläubig ist?
AntwortenLöschenAch und schreibst du auch immer schön die Rezepte mit, damit du uns bekochen und bebacken kannst wenn du wieder zuhause bist? Du bekommst ja scheinbar viel Übung:)
:-*
Öhhh...nicht-gläubig? Was ist das? Sowas verlernt man hier^^
AntwortenLöschenDie leckersten Sachen werde ich mir gründlich beibringen lassen, damit ihr irgendwann ein bisschen Bolivien schmecken könnt. Für die perfekten Sachen bräuchte ich aber wohl manchmal ne Frittöse :D